Zehn Jahre Garten: erstes Kennenlernen
Ein Haus in Hanglage, „außen wie eine Berghütte, innen wie ein Palast“ (Kindermund) und ein verwilderter Garten, so habe ich das Grundstück vor genau zehn Jahren vorgefunden und mich verliebt. Von Anfang an war vieles da, was mir gefiel: zur Straße hin Forsythien-Büsche mit gelben Blütenansätzen und ein Blumenbeet mit ein paar Krokussen und Schneeglöckchen, gefolgt von einem kleinen Teich mit Mäuerchen, dann eine Stufe tiefer ein Bauerngarten, in dem freilich nur noch Giersch wucherte und einige zu groß gewachsene Buchsbüsche. Es folgten ein paar Obstbäume, einige Beerensträucher und zum benachbarten Brachland und Gewerbebetrieb höhere Fichten und Laubbäume, die den Garten abschirmen. Alles ziemlich verwildert, die einstigen Gartenliebhaber lebten nicht mehr, die Enkel hatten keine Zeit. Ich sah sofort, dass hier Platz war für alle oder jedenfalls fast alle meine Lieblingspflanzen. Ich musste nicht viel umgestalten und neu anlegen, weil mir die Einteilung logisch erschien: ein Schauteil zur Straße und hinter dem Haus ein abgeschirmter Nutz- und Privatgarten mit „wilden“ Ecken. Und es kam noch besser: es war Ende März, Anfang April, als ich den Garten in Besitz nahm, der Beginn der Bärlauch- und Frühlingskräuterzeit. Bärlauch im Garten wäre praktisch, dachte ich, und zwei Tage später entdeckte ich die ersten grünen Spitzen. Ich träumte von Fliederduft im Garten, möglichst von dunkel-violetten, vielleicht auch weißen Blüten. Und da war er: ein kräftiger alter Busch in dunkel-violett und in der anderen Gartenecke ein kleinerer in Weiß – dass es die Wunschfarben waren, entdeckte ich erst einige Wochen später. Begeistert war ich auch von der alten Weide mit den silbrig glänzenden Kätzchen und von ersten Schlüsselblümchen unter den Büschen. Wenig später regten sich im Blumenbeet Massen blauer Traubenhyazinthen, gefolgt von prächtigen orangeroten Tulpen. Später habe ich gelernt, dass es Darwin-Hybriden sind, die robust und ausdauernd über Jahre hinweg blühen, während sich leider viele andere Tulpensorten nach ein bis zwei Blühperioden verabschieden. Ich musste überhaupt noch vieles lernen, denn bis dahin gab es nur Balkongärten, in denen freilich neben Blumen auch schon Kräuter, Beerensträucher und Salat wuchsen. Ein Garten war all die Jahre immer der Wunschtraum, wichtiger als das dazugehörige Haus. Tief eingeprägt hatte sich eine Erinnerung an die Kinderzeit. In einer damals fortschrittlichen Arbeitersiedlung gehörte zu jeder Wohnung ein Gartenbeet. Eine Mohrrübe aus der Erde ziehen, am Brunnen Wasser pumpen, um sie abzuwaschen und dann hineinbeißen in die knackige, süß-erdige Wurzel war ein Hochgenuss, den kein gekauftes Gemüse bieten konnte. Auch die Zuckererbsen schienen mir damals viel süßer als alle Sorten, die ich inzwischen ausprobiert habe. Und die Monatserdbeeren schmeckten fast so gut wie die köstlichen Walderdbeeren. Das war der Beginn meines Garten-Traums. Blumen waren damals noch unwichtig – nein, nicht ganz: ich liebte Veilchenduft und kannte die Spazierwege, wo sie zu finden waren. Entsprechend groß war meine Freude, als ich im eigenen Garten die ersten Veilchen fand. So hielt der Garten in den ersten Wochen und Monaten jede Menge Überraschungen bereit – nicht nur positive. Aber davon später.